Bioäquivalenzstudien: Was die FDA von Herstellern von Generika verlangt

Bioäquivalenzstudien: Was die FDA von Herstellern von Generika verlangt

Dez, 21 2025

Wenn ein Unternehmen ein Generikum auf den Markt bringen will, muss es nicht von Grund auf neu beweisen, dass das Medikament sicher und wirksam ist. Stattdessen muss es nur zeigen: Bioäquivalenz. Das ist der Kern der FDA-Anforderungen für Generika. Es geht nicht darum, eine neue Wirkung zu finden, sondern zu beweisen, dass das billige Nachahmerprodukt genauso funktioniert wie das Original. Und das ist viel komplizierter, als viele denken.

Was bedeutet Bioäquivalenz wirklich?

Die FDA definiert Bioäquivalenz klar: Es gibt keinen signifikanten Unterschied in der Rate und dem Ausmaß, mit dem der Wirkstoff im Körper verfügbar wird - vorausgesetzt, beide Medikamente werden in derselben Dosis und unter ähnlichen Bedingungen eingenommen. Das klingt einfach. Aber was heißt das in der Praxis? Wenn du ein Generikum nimmst, soll es genauso schnell ins Blut gelangen, genauso lange im Körper bleiben und genauso viele Wirkstoffmoleküle an den Zielorten freisetzen wie das Original. Nur dann ist es therapeutisch gleichwertig.

Dieser Ansatz basiert auf der Erkenntnis, dass die pharmazeutische Äquivalenz - also gleicher Wirkstoff, gleiche Dosierung, gleiche Form (Tablette, Kapsel, Lösung) - allein nicht ausreicht. Ein Medikament kann chemisch identisch sein, aber anders aufgenommen werden, wenn die Hilfsstoffe, die Herstellungsverfahren oder die Tablettenstruktur anders sind. Deshalb braucht es die Bioäquivalenzstudie. Sie misst, was wirklich zählt: Was passiert im Körper?

Wie wird Bioäquivalenz gemessen?

Die FDA verlangt in den meisten Fällen eine in vivo-Studie mit Menschen. Das bedeutet: Gesunde Freiwillige nehmen entweder das Generikum oder das Originalmedikament ein, und dann wird ihr Blut über Stunden hinweg regelmäßig entnommen. Die Konzentration des Wirkstoffs im Blut wird genau gemessen. Zwei Werte sind entscheidend: die AUC (Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve) und der Cmax (höchste Konzentration im Blut).

Die FDA verlangt, dass das 90%-Konfidenzintervall des Verhältnisses zwischen Generikum und Original für beide Werte zwischen 80 % und 125 % liegt. Das ist die berühmte 80/125-Regel. Sie wurde 1992 eingeführt und gilt bis heute als Goldstandard. Wenn das Generikum beispielsweise 95 % der Wirkstoffmenge wie das Original aufnimmt und die Spitzenkonzentration bei 110 % liegt, ist es bioäquivalent. Wenn es nur 75 % aufnimmt oder die Spitze bei 130 % liegt, ist es nicht zugelassen.

Die Studien laufen meist unter nüchternen Bedingungen. Aber wenn das Medikament mit Essen besser oder schlechter aufgenommen wird, muss auch eine Studie mit Nahrung durchgeführt werden. Das ist besonders wichtig für Fettlösliche Wirkstoffe oder solche, die im Magen abgebaut werden. Die Studien müssen nach den strengen Regeln der Good Laboratory Practice (GLP) durchgeführt werden. Jeder Blutproben-Tube, jede Analyse, jede Datenaufzeichnung muss lückenlos dokumentiert sein.

Wann gibt es eine Ausnahme? Biowaiver

Nicht jedes Medikament braucht eine teure Studie mit Menschen. Die FDA erlaubt sogenannte Biowaiver - also Ausnahmen. Das ist ein großer Vorteil für Hersteller, denn eine Bioäquivalenzstudie kostet zwischen 500.000 und 2 Millionen Dollar. Ein Biowaiver spart Monate und Millionen.

Biowaiver gelten zum Beispiel für:

  • Parenterale Lösungen (Injektionen), die exakt die gleiche Zusammensetzung wie ein zugelassenes Original haben
  • Augen- oder Ohr-Tropfen mit identischem Wirkstoff und Hilfsstoffen
  • Topische Produkte, die nur lokal wirken - etwa Cremes gegen Ekzeme - und nicht in den Blutkreislauf gelangen sollen

Die Bedingungen dafür sind streng: Das Generikum muss identisch sein in der Zusammensetzung (Q1), der Form und Konzentration (Q2) und den physikalisch-chemischen Eigenschaften wie pH-Wert (Q3). Dieses Q1-Q2-Q3-Prinzip ist der Schlüssel. Wenn alle drei Punkte erfüllt sind, kann die FDA auf eine menschliche Studie verzichten und stattdessen auf Laboruntersuchungen setzen - etwa die Freisetzung des Wirkstoffs aus der Tablette oder Creme im Testbehälter.

Labor Szene mit Wissenschaftlern und geometrischen Datenbalken, die die Bioäquivalenz-Grenzen von 80% bis 125% darstellen.

Was ist mit schwierigen Medikamenten?

Nicht alle Wirkstoffe lassen sich mit der Standard-80/125-Regel bewerten. Einige sind besonders variabel - das heißt, sie werden bei verschiedenen Menschen sehr unterschiedlich aufgenommen. Solche hoch variablen Wirkstoffe (HVDs) wie Warfarin oder Clopidogrel können in einer Studie leicht über oder unter der 80/125-Grenze liegen, obwohl sie therapeutisch gleich wirken.

Die FDA hat dafür eine Lösung: Scaled Average Bioequivalence (SABE). Bei diesen Medikamenten wird die akzeptierte Bandbreite dynamisch angepasst - je variabler der Wirkstoff, desto weiter darf das Intervall sein. Das ist fairer und realistischer. Für engtherapeutische Wirkstoffe (NTIDs) wie Levothyroxin oder Phenytoin gilt hingegen die umgekehrte Regel: Die Grenzen sind enger - nur 90 % bis 111 %. Hier darf kein kleiner Unterschied bestehen, denn eine leichte Dosisabweichung kann zu schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen führen.

Warum scheitern so viele Anträge?

Im Jahr 2022 lag die erste Genehmigungsrate für Generika-Anträge bei nur 43 %. Das bedeutet: Fast jede zweite Bewerbung wurde abgelehnt - nicht wegen Sicherheitsproblemen, sondern wegen technischer Mängel in den Bioäquivalenzstudien. Die häufigsten Fehler:

  • Zu wenig Probanden - die Studie hat nicht genug statistische Kraft
  • Fehlerhafte Analysemethoden - die Blutmessungen sind ungenau
  • Unvollständige Dokumentation - fehlende Protokolle, unklare Daten
  • Ignorieren der Produkt-spezifischen Leitlinien (PSGs)

Hersteller, die sich genau an die 2.147 aktiven Produkt-spezifischen Leitlinien der FDA halten, erreichen eine Genehmigungsrate von 68 %. Wer sie ignoriert, hat nur eine Chance von 29 %. Die FDA veröffentlicht diese Leitlinien öffentlich - sie sind kein Geheimnis. Aber viele Unternehmen unterschätzen sie, weil sie sie für „nur Empfehlungen“ halten. Sie sind verbindlich.

Patient nimmt Generikum ein, während ein computergestütztes Pharmakokinetik-Modell daneben simuliert, auf einer Grundlage aus FDA-Leitlinien.

Was ändert sich gerade?

Die FDA arbeitet intensiv an neuen Methoden. Ein großer Schritt ist die Nutzung von physiologisch basierten Pharmakokinetik-Modellen (PBPK). Diese Computermodelle simulieren, wie ein Wirkstoff im Körper verteilt wird - basierend auf seiner chemischen Struktur, der Magen-Darm-Bewegung, Leber- und Nierenfunktion. Für bestimmte komplexe Produkte, etwa Inhalatoren oder transdermale Pflaster, könnte diese Methode künftig die menschliche Studie ersetzen.

Auch für topische Produkte wie Cremes und Gele wird die FDA immer strenger. 78 % der Ablehnungen für solche Generika im Jahr 2022 bezogen sich auf Bioäquivalenzprobleme. Die FDA verlangt jetzt nicht nur, dass der Wirkstoff freigesetzt wird - sie will auch wissen, wie tief er in die Haut eindringt. Das erfordert neue, aufwendige Tests.

Unter dem GDUFA-III-Programm (2023-2027) hat sich die FDA verpflichtet, weitere 1.800 Produkt-spezifische Leitlinien zu veröffentlichen. Das ist eine enorme Arbeitslast - aber auch eine Chance für Hersteller, die frühzeitig auf diese Leitlinien reagieren. Wer jetzt die neuen Anforderungen versteht, hat einen klaren Vorteil.

Warum ist das alles wichtig?

Generika machen heute 90 % aller verschriebenen Medikamente in den USA aus - aber nur 23 % der Ausgaben. Ohne Bioäquivalenzstudien gäbe es diese Preissenkung nicht. Die FDA sorgt dafür, dass diese Preissenkung nicht auf Kosten der Sicherheit geht. Es geht nicht darum, billiger zu sein - sondern genauso gut wie das Original.

Die Bioäquivalenzstudie ist kein Hindernis. Sie ist der Garant dafür, dass du als Patient ein billiges Medikament nehmen kannst - und genau das gleiche Ergebnis bekommst wie mit dem teuren Original. Und das ist kein kleiner Erfolg. Das ist das Fundament des modernen Gesundheitssystems.