Tricyclische Antidepressiva: Nebenwirkungen von Amitriptylin, Nortriptylin und anderen TCAs

Tricyclische Antidepressiva: Nebenwirkungen von Amitriptylin, Nortriptylin und anderen TCAs

Dez, 15 2025

TCA-Risikobewertung

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Tricyclische Antidepressiva (TCAs) wie Amitriptylin und Nortriptylin gehören zu den ältesten Antidepressiva, die je entwickelt wurden. Obwohl sie seit den 1990er-Jahren von moderneren Medikamenten wie SSRIs verdrängt wurden, werden sie heute noch häufig verschrieben - nicht hauptsächlich wegen Depression, sondern wegen ihrer Wirksamkeit bei chronischen Schmerzen, Migräne und Schlafstörungen. Doch ihre Wirksamkeit hat einen Preis: Die Nebenwirkungen sind oft stark, manchmal gefährlich und beeinträchtigen den Alltag massiv. Viele Patienten nehmen sie trotzdem ein - weil andere Medikamente nicht funktionieren. Aber was genau passiert im Körper, wenn man Amitriptylin oder Nortriptylin nimmt? Und warum verlassen so viele Menschen diese Medikamente wieder?

Wie funktionieren tricyclische Antidepressiva?

TCAs wirken, indem sie die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin in den Nervenzellen blockieren. Das bedeutet: Diese Botenstoffe bleiben länger im Gehirn und verbessern die Stimmung. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. TCAs binden sich nicht nur an Serotonin- und Noradrenalin-Transporter, sondern auch an viele andere Rezeptoren im Körper - und das ist der Grund für die vielen Nebenwirkungen.

Amitriptylin zum Beispiel blockiert stark die Muscarin-Rezeptoren (cholinerge Hemmung), die Histamin-H1-Rezeptoren (für Schläfrigkeit) und die Alpha-1-Adrenorezeptoren (für Blutdruckabfall). Nortriptylin, ein Abbauprodukt von Amitriptylin, wirkt etwas gezielter: Es hat weniger Einfluss auf diese Rezeptoren, was es für viele Patienten verträglicher macht. Doch beide Medikamente beeinflussen den gesamten Körper - nicht nur das Gehirn.

Die häufigsten Nebenwirkungen: Trockener Mund, verschwommenes Sehen, Verstopfung

Die häufigsten Nebenwirkungen von TCAs stammen von der cholinergen Blockade - also der Unterdrückung des parasympathischen Nervensystems. Das führt zu:

  • Trockener Mund (Xerostomie): Betroffen sind bis zu 30 % der Patienten, besonders bei Amitriptylin. Das ist nicht nur unangenehm - es führt zu Karies, Zahnfleischentzündungen und sogar zu Infektionen im Mund. Viele Patienten berichten, dass sie mehrere Flaschen Biotene pro Woche verbrauchen, trotzdem bekommen sie Karies.
  • Verschwommenes Sehen: Ca. 15-20 % der Nutzer haben Probleme, scharf zu sehen, besonders beim Lesen oder Autofahren. Meist bessert sich das nach einigen Wochen, aber bei manchen bleibt es bestehen.
  • Verstopfung: Bis zu 25 % der Patienten leiden unter schwerer Verstopfung. Bei älteren Menschen kann das zu Darmverschluss führen - eine lebensbedrohliche Komplikation.
  • Harnverhalt: Besonders bei Männern mit vergrößerter Prostata kann es zu vollständiger Harnretention kommen. Manche müssen dann katheterisiert werden.

Diese Nebenwirkungen sind nicht nur ärgerlich - sie sind oft so stark, dass Patienten das Medikament absetzen. Eine Studie im Journal of Clinical Psychiatry zeigte: 45 % der Patienten hörten innerhalb von 8 Wochen auf, TCAs einzunehmen - hauptsächlich wegen dieser Symptome.

Schläfrigkeit, Schwindel und Herzprobleme: Die gefährlicheren Nebenwirkungen

TCAs wirken auch auf das Herz und das zentrale Nervensystem. Das kann lebensgefährlich werden.

  • Schläfrigkeit: Amitriptylin macht bis zu 40 % der Patienten tagtäglich schläfrig. Nortriptylin ist etwas besser - aber immer noch 25 % fühlen sich wie betrunken. Viele nehmen es abends, um den Schlaf zu nutzen - doch am nächsten Morgen sind sie noch müde, konzentriert sind sie kaum.
  • Orthostatische Hypotonie: Wenn man vom Sitzen aufsteht, fällt der Blutdruck plötzlich. Das führt zu Schwindel, Lichtblitzen vor den Augen - und Stürzen. Besonders bei älteren Menschen ist das ein großes Risiko: Eine Studie zeigte, dass Amitriptylin das Sturzrisiko um 70 % erhöht.
  • Herzrhythmusstörungen: TCAs verlängern das QT-Intervall im EKG - das ist die Zeit, die das Herz braucht, um sich zwischen den Schlägen zu regenerieren. Amitriptylin verlängert es um 20-40 Millisekunden. Bei höheren Dosen oder bei Menschen mit Herzproblemen kann das zu gefährlichen Rhythmusstörungen wie Kammerflimmern führen - manchmal mit tödlichem Ausgang.
  • Herzfrequenzanstieg: Die Ruheherzfrequenz steigt um 10-20 Schläge pro Minute. Das ist kein Problem für junge, gesunde Menschen - aber für ältere oder herzkranke Patienten kann es zu Herzversagen führen.

Die American Psychiatric Association empfiehlt daher: TCAs nur dann verschreiben, wenn andere Medikamente versagt haben. Und immer ein EKG vor Beginn der Therapie machen.

Überdosierung: Ein TCA ist kein gewöhnliches Medikament

Im Gegensatz zu SSRIs ist eine Überdosierung mit TCAs extrem gefährlich. Sie haben einen sehr engen therapeutischen Index - die Dosis, die wirkt, ist fast die gleiche wie die, die tötet.

Bei Überdosierung treten auf:

  • Verbreiterung des QRS-Komplexes im EKG (mehr als 100 Millisekunden)
  • Sehr niedriger Blutdruck (unter 90 mmHg)
  • Konvulsionen (Krampfanfälle)
  • Atemdepression
  • Herzstillstand

Die Sterblichkeitsrate bei TCA-Überdosierung ist höher als bei allen anderen Antidepressiva. Deshalb werden TCAs in vielen Ländern nur in kleinen Mengen verschrieben - oft nur 14 Tage auf einmal. Wer sie nimmt, sollte nie mehr als nötig zu Hause haben.

Älterer Mensch steht unsicher auf, von Schwindel und verschwommenem Sehen betroffen, mit medizinischen Symbole im Hintergrund.

TCAs bei älteren Menschen: Ein hohes Risiko

Die Beers-Kriterien (2023) - ein international anerkanntes Leitfaden für Medikamentenverschreibung bei Senioren - verbieten explizit Amitriptylin und andere hochanticholinerge TCAs bei Menschen über 65. Warum?

  • 25 % der älteren Patienten entwickeln Verwirrtheit oder Desorientierung
  • 15 % leiden unter Gedächtnisstörungen, die wie Demenz aussehen
  • Das Risiko für kognitive Abnahme steigt um 50 %
  • Das Sturz- und Bruchrisiko steigt um 70 %

Obwohl viele Ärzte TCAs noch bei älteren Patienten mit chronischen Schmerzen verschreiben, ist das medizinisch fragwürdig. Es gibt bessere Alternativen - wie niedrig dosierte SNRIs oder Antiepileptika. Aber TCAs sind billig und leicht verfügbar. Das macht sie verlockend - auch wenn sie gefährlich sind.

Wann lohnen sich TCAs trotzdem?

Es gibt Situationen, in denen TCAs die beste Option sind - trotz aller Risiken.

  • Chronische neuropathische Schmerzen: Amitriptylin ist bei Diabetischer Neuropathie, Postherpetischer Neuralgie und Fibromyalgie wirksamer als viele moderne Medikamente. Eine Cochrane-Studie zeigte: 35-40 % der Patienten erleben eine Schmerzreduktion von mindestens 50 % - das ist besser als bei Duloxetin.
  • Migräne-Prophylaxe: Amitriptylin reduziert die Anzahl der Migränetage bei vielen Patienten um 60-70 %. Ein Nutzer berichtete: „Nach 10 Jahren mit 15 Migränetagen pro Monat - jetzt nur noch 3.“
  • Treatment-resistant Depression: Wenn zwei oder drei SSRIs oder SNRIs nicht halfen, kann ein TCA die letzte Hoffnung sein. Studien zeigen: 65-70 % der Patienten mit therapieresistenter Depression reagieren auf Amitriptylin - bei SSRIs sind es nur 50-55 %.

Die Schlüsselworte hier sind: letzte Option und gut überwacht. TCAs sind kein Anfangsmedikament. Sie sind ein Notfallplan - und nur für Patienten, die genau wissen, was sie riskieren.

Wie man TCAs sicher einnimmt

Wenn du ein TCA einnimmst - und du hast es wirklich nötig - dann solltest du diese Regeln befolgen:

  1. Starte mit niedrigen Dosen: 10-25 mg abends. Nicht mehr. Dein Körper braucht Zeit, sich anzupassen.
  2. Steigere langsam: Erhöhe die Dosis nur alle 1-2 Wochen. Schnelle Dosiserhöhungen erhöhen das Risiko von Nebenwirkungen.
  3. Stehe langsam auf: Von sitzend zu stehend - warte 10 Sekunden. Vermeide plötzliche Bewegungen.
  4. Putze deine Zähne gründlich: Spüle mit Wasser nach jeder Mahlzeit. Nutze zuckerfreie Kaugummi oder Sprays gegen trockenen Mund.
  5. Mache ein EKG: Vor Beginn und nach 4-6 Wochen. Besonders wenn du älter bist oder Herzprobleme hast.
  6. Vermeide Alkohol und Beruhigungsmittel: Sie verstärken die Sedierung und das Herzrisiko.
  7. Setze das Medikament nicht abrupt ab: Du kannst Entzugssymptome bekommen - wie elektrische Schocks, Übelkeit, Angst. Taper über 4-6 Wochen.

Die meisten Nebenwirkungen bessern sich nach 2-4 Wochen. Aber das bedeutet nicht, dass sie verschwinden. Viele Patienten lernen, mit ihnen zu leben - weil die Vorteile größer sind.

Gegensatzdarstellung: Patient mit Schmerzlinderung auf einer Seite, schweren Nebenwirkungen wie trockener Mund und Herzrasen auf der anderen.

Was sagen Patienten wirklich?

Auf Reddit schreibt ein Nutzer: „Amitriptylin hat meinen Nervenschmerz besiegt - aber ich musste drei Flaschen Biotene pro Woche verbrauchen und bekam trotzdem zwei Karies.“

Ein anderer sagt: „Ich konnte nicht mehr urinieren. Ich musste einen Katheter bekommen. Ich habe das Medikament abgesetzt - und der Schmerz kam zurück. Aber ich will nicht wieder katheterisiert werden.“

Auf Drugs.com hat Amitriptylin eine Durchschnittsnote von 6,2 von 10. 38 % der Bewertungen sind negativ - mit Kommentaren wie „Ich konnte nicht mehr lesen“, „Mein Herz raste die ganze Zeit“ oder „Ich habe 12 Kilo zugenommen.“

Aber auch positive Stimmen gibt es: „Nach 10 Jahren ohne Schlaf - endlich wieder durchgeschlafen.“ „Endlich keine Migräne mehr. Die Nebenwirkungen sind schwer, aber es lohnt sich.“

Es ist kein einfaches Ja oder Nein. Es ist eine Abwägung - zwischen Leid und Linderung.

TCAs heute: Ein veraltetes Werkzeug mit Zukunft

TCAs machen heute nur noch 5-7 % aller Antidepressiva-Verordnungen aus - im Vergleich zu 30 % in den 1990ern. Sie sind billig, aber sie sind nicht mehr die erste Wahl.

Doch sie sind nicht ausgestorben. Amitriptylin ist in den USA das 12. meistverschriebene Medikament - und das nicht wegen Depression, sondern wegen Schmerzen. Jedes Jahr werden über 12 Millionen Rezepte ausgestellt.

Neue Forschung zeigt, dass niedrig dosierte TCAs (10-25 mg) mit SSRIs kombiniert werden können - und so die Wirksamkeit erhöhen, ohne die Nebenwirkungen zu verdoppeln. Auch genetische Tests (CYP2D6-Genotyp) helfen heute, vorherzusagen, wer besonders empfindlich auf Amitriptylin reagiert - und wer es gut verträgt.

Die Zukunft von TCAs liegt nicht in der breiten Anwendung - sondern in der gezielten, individuellen Nutzung. Für wen? Für Patienten mit schweren Schmerzen, die keine andere Hilfe finden. Für die, die keine andere Wahl haben. Und für die, die es wissen - und trotzdem wählen.

Sind tricyclische Antidepressiva immer noch wirksam?

Ja, besonders bei neuropathischen Schmerzen, Migräne und therapieresistenter Depression. Amitriptylin ist bei Diabetischer Neuropathie wirksamer als viele neuere Medikamente. Studien zeigen, dass 35-40 % der Patienten eine Schmerzreduktion von mindestens 50 % erleben - das ist besser als bei Duloxetin oder Gabapentin. Auch bei Migräne-Prophylaxe ist Amitriptylin eine der wirksamsten Optionen. Allerdings ist es nicht die erste Wahl bei Depression - dafür sind SSRIs und SNRIs verträglicher.

Warum werden TCAs heute seltener verschrieben?

Weil sie viele starke Nebenwirkungen haben: trockener Mund, Verstopfung, Schwindel, Herzrhythmusstörungen, kognitive Beeinträchtigung - besonders bei älteren Menschen. Neue Medikamente wie SSRIs (z. B. Sertralin) oder SNRIs (z. B. Duloxetin) wirken fast ebenso gut, aber mit viel weniger Nebenwirkungen. Deshalb werden TCAs heute nur noch als letzte Option verschrieben - nach mindestens zwei gescheiterten Versuchen mit anderen Antidepressiva.

Ist Nortriptylin sicherer als Amitriptylin?

Ja, Nortriptylin ist in der Regel verträglicher. Es ist ein Metabolit von Amitriptylin und hat eine geringere Wirkung auf die cholinergen und histaminergen Rezeptoren. Das bedeutet: Weniger trockener Mund, weniger Schläfrigkeit, weniger Verstopfung. Es hat auch ein geringeres Risiko für Herzrhythmusstörungen. Deshalb wird Nortriptylin oft bei älteren Patienten oder Menschen mit Herzproblemen bevorzugt - wenn ein TCA nötig ist.

Kann man TCAs bei Herzproblemen nehmen?

Nur mit äußerster Vorsicht und unter EKG-Kontrolle. TCAs können das QT-Intervall verlängern und zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen führen. Bei bestehenden Herzrhythmusstörungen, Herzschwäche oder vorangegangenen Herzinfarkten sind sie kontraindiziert. Wenn sie trotzdem verschrieben werden, muss ein EKG vor Beginn und nach 4-6 Wochen gemacht werden. Die Dosis sollte nie über 100 mg täglich steigen - und nur unter strenger Überwachung.

Was passiert, wenn man TCAs plötzlich absetzt?

Man kann schwere Entzugssymptome bekommen: Übelkeit, Schwindel, Schlafstörungen, Angst, Reizbarkeit - und sogenannte „elektrische Schocks“ im Kopf oder Körper. Diese Symptome treten bei bis zu 22 % der Patienten auf, die abrupt absetzen. Deshalb muss man TCAs über 4-6 Wochen langsam herunterschrauben. Nie abrupt absetzen - auch wenn man sich besser fühlt.

Warum nimmt man TCAs trotz Nebenwirkungen?

Weil es oft keine andere Wahl gibt. Wenn alle anderen Medikamente - SSRIs, SNRIs, Antiepileptika, Gabapentin - nicht geholfen haben, ist ein TCA oft die letzte Hoffnung. Viele Patienten mit chronischen Schmerzen oder schwerer Depression berichten, dass TCAs ihr Leben verändert haben - auch wenn sie trockenen Mund, Müdigkeit oder Gewichtszunahme haben. Es ist eine Abwägung: Die Nebenwirkungen sind schwer, aber das Leiden ohne Medikament ist oft noch schwerer.

Was tun, wenn die Nebenwirkungen zu stark sind?

Wenn du starke Nebenwirkungen hast, dann setze das Medikament nicht einfach ab. Sprich mit deinem Arzt. Es gibt Möglichkeiten:

  • Die Dosis senken - manchmal reicht schon 10 mg pro Tag.
  • Wechseln zu Nortriptylin - es ist oft besser verträglich.
  • Die Einnahmezeit verschieben - auf den Abend, wenn du schläfst.
  • Parallel ein anderes Medikament hinzufügen - z. B. ein niedrig dosiertes SSRI - um die Wirkung zu verbessern, ohne die TCA-Dosis zu erhöhen.
  • Genetische Tests machen - um zu sehen, ob du ein langsamer Metabolisierer bist (CYP2D6-Poor Metabolizer). Dann brauchst du eine viel niedrigere Dosis.

Es gibt immer eine Alternative - aber nur, wenn du mit deinem Arzt darüber sprichst. Schweigen macht es nicht besser. Es macht es nur gefährlicher.